- Projektbeschreibung
AR trifft Sonographie
Die Sonographie ist eines der wichtigsten bildgebenden Verfahren überhaupt. Es ist günstig, schnell und überall durchführbar, kommt ohne Strahlenbelastung aus – und erlaubt unkompliziert eine Darstellung in Echtzeit. Eine neue Kombi-Technologie versetzt Ärzte nun erstmals in die Lage, mit Hilfe einer AR-Brille Ultraschallbilder lagerichtig zu betrachten: Die Schnittebene durch den Körper erscheint über den repräsentierten Strukturen direkt am Patienten. Um Ultraschallbild und AR-Ansicht zusammenzubringen, bedurfte es verschiedener Kalibrierungsschritte. Zunächst musste die relative Position zwischen den Markern des Trackingsystems an der Ultraschallsonde und der aufgenommenen Ultraschallebene bestimmt werden, die in das Sichtfeld des Anwenders eingeblendet werden soll. Im nächsten Schritt wurden die verschiedenen Komponenten wie Kopfposition, Lage der Anzeigenelemente in der Brille zum Auge des Anwenders, Augenabstand und weitere geprüft. Das System wird auf jeden Anwender individuell angepasst – dieser Kalibrierungsvorgang dauert höchstens drei Minuten.
Grundlage: das Tracking
Die lagerichtige Darstellung der Ultraschallbilder basiert auf einem externen optischen Trackingsystem, beispielsweise dem NDI Polaris. Es vermisst die Lage des Kopfes vom Anwender und die der Ultraschallsonde, erkennt die relative Lage beider Objekte zueinander und zeigt diese in der AR-Brille an. Anders als bei bekannten Registrierungsverfahren, wo zunächst CT- oder MRT-Bilddaten gewonnen und dann mit AR-Technologie auf den Patienten überlagert werden, ermöglicht der Ultraschall Liveaufnahmen. Das ortsfeste Kamerasystem für die Trackingtechnologie besteht aus zwei infrarotfähigen Kameras. An der Ultraschallsonde und an der AR-Brille sind mit Hilfe von Klemmmechanismen Infrarotmarker befestigt, so dass das Trackingsystem die beiden Positionen erkennen kann. Über die Software des Fraunhofer IGD lässt sich die Position auswerten und mit Hilfe der Kalibrierungen umrechnen, so dass die lagerichtige Anzeige möglich ist.
Vorteile und Einsatzgebiete
Der Einsatz des neuen AR-Systems ist vielseitig: Die neue Technologie kann beispielsweise die Erfolgsquote der ultraschallgeführten Biopsien verbessern und den Nutzen von Ultraschall anwenderunabhängiger machen. Die Ultraschallebene liegt direkt am Patienten, so dass der Arzt die Nadel direkt am Patienten sehen und den Stichkanal besser nachjustieren kann.
Bisher müssen etwa zehn Prozent der geschlossenen Biopsien wiederholt oder als offene Biopsie durchgeführt werden, weil sie nicht erfolgreich waren. Ein Grund ist die Anzeige des Ultraschallbildes auf einem Bildschirm. Der Arzt muss die Ultraschallsonde so platzieren, dass er eine möglichst gute Aufnahme des zu betrachtenden Gebiets erhält. Dazu muss er die räumliche Lage im Patienten abstrahieren und sich einen Pfad für eine Biopsie-Nadel herleiten, der keine Risikostrukturen verletzt und gleichzeitig zu dem avisierten Gewebe führt. Auch die Sicherheit operativer Eingriffe ließe sich mit der neuen Technologie erhöhen. So stellt die komplexe Anatomie der Leber mit ihren verästelten Gefäßen Chirurgen häufig vor eine knifflige Aufgabe: Würden bestimmte Arterien bei einem Eingriff verletzt, blieben bestimmte Leberbereiche unversorgt. Mit der AR-gestützten Sonographie könnten Chirurgen Operationen exakter planen. Statt wie bisher CT- oder MRT-Aufnahmen vorab zu machen, ließe sich eine Registrierung intraoperativ live mit Ultraschallbilddaten anfertigen. Dabei könnten auch Gefäße, die in 3D live aus dem Ultraschallbild extrahiert werden, getrackt und während des Eingriffs als Risikostruktur angezeigt werden. Zukünftig ließen sich anatomische Anomalien sogar direkt im AR-Bild sichtbar machen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz könnten Gewebe- und Organanomalien erkannt werden.