Angewandtes Quantencomputing

Zentrum für Angewandtes Quantencomputing (ZAQC)

Quantencomputing ist derzeit in aller Munde. Im Frühjahr des Jahres 2021 wurde in Deutschland der erste kommerziell nutzbare Quantencomputer in Betrieb genommen – eine Kooperation zwischen IBM und Fraunhofer. Nach Förderzusage durch das HMinD (Hessisches Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung) und das HMWK (Hessisches Ministerium Wissenschaft und Kunst) hat das Fraunhofer IGD im Mai 2022 die Arbeit am ZAQC und in dem Thema Quantencomputing begonnen. In Analogie zum Ziel der hessischen Digitalstrategie ist es Ziel des ZAQC, alle sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten von Quantencomputing zu identifizieren, zu bewerten, zu priorisieren und für das Gemeinwesen – hier Industrie und Wirtschaft – mit möglichst hoher Umsetzungsgeschwindigkeit nutzbar zu machen.

Während Quantencomputer grundsätzlich wie klassische Computer genutzt werden können, ist eine radikal andere Art des Rechnens notwendig, um ihre Vorteile auszunutzen. Nicht deterministisch, sondern probabilistisch; mit verschränkten Qubits statt unabhängiger Bits; mit kontinuierlichen Überlagerungen exponentiell vieler Zustände, aber digitalen Ergebnissen; und mit Zuständen, die nicht kopiert werden können. Nur unter Beachtung dieser besonderen Eigenschaften – und nur bei bestimmten Problemen – kann Quantencomputing das Versprechen von bis zu exponentiellen Beschleunigungen erfüllen und wird erfolgreich eingesetzt werden können – immer im Sinne eines Coprozessors.

Derzeitig befinden wir uns in der NISQ-Ära des Quantencomputing, d.h. Noisy Intermediate Scale Quantum Computing, und bedeutet, dass verfügbare echte Quantencomputer noch eine geringe Anzahl von Qubits aufweisen sowie fehlerbehaftete, rauschende Gates und nur kurzzeitig stabile, kohärente Quantenzustände.

Das ZAQC untersucht, welche Problemstellungen mittelfristig mit Quantencomputing gelöst werden können. Dabei wird ein Fokus auf chemisch/pharmazeutische Anwendungsbereiche gelegt, da hier frühe Anwendbarkeit erwartet wird. Flankiert wird dies durch die Kooperation mit dem Leistungszentrum TheraNova.

Aktuelle Projekte

Proteinfaltung mit Quantencomputing erforschen

Proteine sind entscheidend für die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien. Um ihre Wirkung besser zu verstehen, ist die Vorhersage ihrer dreidimensionalen Struktur – die sogenannte Proteinfaltung – von zentraler Bedeutung.

Das Zentrum für Angewandtes Quantencomputing (ZAQC) untersucht in einem aktuellen Projekt, inwieweit Quantencomputing zur Berechnung dieser Faltung beitragen kann. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde dazu die Eignung von Quantenannealing getestet – einem speziellen Quantenverfahren, das mithilfe quantenmechanischer Effekte nach der besten Lösung in einem sehr großen Suchraum sucht.

Dazu wurden verschiedene in der Fachliteratur vorgeschlagene Faltungsmodelle implementiert und mit klassischen Algorithmen verglichen. Die Berechnungen erfolgten auf der Hardware von D-Wave. Zusätzlich entwickelte das Team ein neues Modell, das vielversprechende Perspektiven für künftige Anwendungen eröffnet.

Das Ergebnis: Die aktuelle Quantenannealing-Hardware ist noch nicht in der Lage, komplexe Proteine über den Proof-of-Concept hinaus zu bearbeiten – doch die Forschungsansätze zeigen deutliches Potenzial für die Zukunft.

Weitere Details zu der Studie sind hier zu finden: Exploring Quantum Annealing for Coarse-Grained Protein Folding (Timon Scheiber, Matthias Heller and Andreas Giebel, 2025, arXiv quant-ph)

 

Beispiel eines Proteins mit 10 Aminosäuren, welches sich auf einem kartesichen Gitter (links) oder auf einem Diamantgitter (rechts) faltet. Abbildung aus: Exploring Quantum Annealing for Coarse-Grained Protein Folding (Timon Scheiber, Matthias Heller and Andreas Giebel, 2025, arXiv quant-ph)

Messungsbasiertes Quantencomputing (MBQC)

Das messungsbasierte Quantencomputing (MBQC) ist ein alternatives Rechenmodell zum bekannteren Quantenschaltkreismodell. Während dort alle Rechenschritte sequenziell durch sogenannte Quantengatter umgesetzt werden, geht MBQC einen anderen Weg: Es startet mit einem speziellen, stark verschränkten Ausgangszustand. Die eigentliche Berechnung erfolgt dann durch eine Reihe von Messungen, deren Ergebnisse jeweils die nächsten Schritte beeinflussen.

In einer aktuellen Publikation mit Beteiligung des Zentrums für Angewandtes Quantencomputing (ZAQC) wurde untersucht, wie sich MBQC und das Schaltkreismodell miteinander kombinieren lassen. Das Ergebnis ist eine hybride Simulationsmethode:

  • Ein Teil der Berechnungen kann klassisch effizient simuliert werden.
  • Der andere Teil wird als sogenannter Graph-Zustand mit passenden Messungen beschrieben.

Dieser Ansatz eröffnet neue Möglichkeiten, Quantenalgorithmen flexibler und teilweise effizienter zu simulieren. In der Studie wurde das Verfahren unter anderem auf die Simulation des Wassermoleküls H₂O angewendet und mit herkömmlichen Methoden verglichen.

Weitere Details finden sich in den beiden Veröffentlichungen:
Mapping quantum circuits to shallow-depth measurement patterns based on graph states
(Thierry N. Kaldenbach und Matthias Heller, 2025, Quantum Sci. Technol. 10 015010)

Efficient Preparation of Resource States for Hamiltonian Simulation and Universal Quantum Computation
(Thierry N. Kaldenbach, Isaac D. Smith, Hendrik Poulsen Nautrup, Matthias Heller und Hans J. Briegel, 2025 Formularbeginn, arXiv quant-ph)

Schaubild über die verschiedenen Schritte zum Zerlegen eines Quantenalgorithmus in die Graphen-Zustände, welche auf Quantencomputern als Ressource präpariert werden. Abbildung aus “Mapping quantum circuits to shallow-depth measurement patterns based on graph states”, Thierry N Kaldenbach and Matthias Heller 2025 Quantum Sci. Technol. 10 015010

Quanten-inspirierte Optimierung für molekulare Berechnungen

In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat das ZAQC einen quanten-inspirierten Ansatz zur Simulation von Molekülen vorgestellt. Dieser nutzt sogenannte Tensornetzwerke, um die Basisfunktionen – also die mathematischen Bausteine für die Beschreibung von Elektronen – präziser zu beschreiben.

Im Unterschied zur herkömmlichen Methode, bei der Molekülorbitale durch große Kombinationen von Atomorbitalen beschrieben werden (LCAO-Methode), benötigt der neue Ansatz nur so viele Basisfunktionen, wie Elektronen im System vorhanden sind. Die auf Tensornetzwerken basierenden Basisfunktionen sind demnach deutlich expressiver.

Tests an Atomen und Molekülen mit bis zu zehn Elektronen zeigen: Die Ergebnisse stimmen sehr gut mit klassischen LCAO-Berechnungen überein. Damit eröffnet die Methode eine vielversprechende Alternative zu etablierten Verfahren und könnte künftig den Weg zu hochpräzisen, vollständig numerischen und molekülspezifischen Basissätzen ebnen.

Weitere Details finden sich in der Veröffentlichung:
Fully numerical Hartree-Fock calculations for atoms and small molecules with quantics tensor trains
(Paul Haubenwallner und Matthias Heller, 2025, Electron. Struct. 7 025006)

Schaubild mit den verschiedenen Tensornetzwerk-Operatoren, welche in einer Hartree-Fock Rechnung benötigt werden. Abbildung aus “Fully numerical Hartree-Fock calculations for atoms and small molecules with quantics tensor trains”, Paul Haubenwallner and Matthias Heller 2025 Electron. Struct. 7 025006

Web-Applikation für interaktive Visualisierung von Quantenalgorithmen

Das am Zentrum für angewandtes Quantencomputing (ZAQC) entwickelte QCVIS ist eine Web-Applikation für interaktive Visualisierung von Quantenalgorithmen mit dem Ziel, das Verständnis von Quantenalgorithmen – dargestellt als Quantenschaltkreise, die in der Applikation editiert werden können – beim Erlernen von Quantencomputing zu vereinfachen. Aktuell werden in QCVIS vier verschiedene Visualisierungen angeboten. Die Quantenschaltkreise können schrittweise ausgeführt werden, wobei alle Zustandsübergänge animiert sind, um die Verständlichkeit dessen zu verbessern, was während Zustandsübergängen passiert. Des Weiteren werden Erkenntnisse aus Scientific und Information Visualization genutzt, z. B. die Verwendung eines bezüglich der Wahrnehmung gleichförmigen Farbraums für die farbliche Darstellung der Phase.

 

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Die vier aktuell verfügbaren Visualisierungen werden in diesem Video vorgestellt.