- Projektbeschreibung
Für die angestrebte Optimierung von Grenzkontrollprozessen wurden diese einer gründlichen Analyse unterzogen. Die daraufhin konzipierte PreBorderLane soll eine spürbare Verbesserung der notwendigen Abläufe bei der Grenzabfertigung bewirken.
Es handelt sich bei diesem Konzept um eine flexible, vorgelagerte technische Einrichtung zur Entzerrung und Differenzierung der Passagierströme in eingehende Kontrolle und Mindestkontrolle. Die zum Einsatz kommenden Technologien werden an den Menschen orientiert. Da der Mensch in den Mittelpunkt gestellt wird, gestalten sich die neuen Abfertigungsprozesse, die das moderne und fortschrittliche Europa widerspiegeln, für den Reisenden so angenehm und sicher wie möglich, ohne bestimmte Personengruppen auszugrenzen.
Des Weiteren setzt die PreBorderLane die Philosophie des vereinten Europas um, da das Konzept in der Lage ist, alle Belange eines Integrated Border Management (IBM) zu bedienen.
Ausgangslage und Grundproblematik
Das erklärte Ziel der Europäischen Union ist, durch Einsatz neuer geeigneter Technologien im Bereich der Grenzabfertigung den Herausforderungen eines wachsenden Passagieraufkommens bei gleichzeitiger Sicherstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Es ist eine besondere Herausforderung, dem zunehmenden Luftverkehr (u. a. verdeutlicht am Einsatz des A380) zu entsprechen, dem damit verbundenen steigenden Migrationsdruck zu widerstehen und damit auch den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der Mitgliedsstaaten zum Schutz vor Bedrohungen jeglicher Art zu entsprechen, verbunden mit einem hohen Standard an Servicefreundlichkeit. Die Garantenstellung der einzelnen Mitgliedsstaaten gegenüber der Europäischen Union erfordert hier ein gemeinschaftliches und konstruktives Herangehen mit dem anspruchsvollem Ziel, die Grenzabfertigung technologisch zu optimieren.
Mit der neuen Strategie des Integrated Border Management hat man erkannt, dass für die Qualität und die Quantität der Grenzabfertigung die Ausbildung der Grenzkontrollkräfte, das Verhältnis von der Anzahl der Kontrollpflichtigen gegenüber den Kontrollkräften, die technische/technologische Ausstattung und die Optimierung der einzelnen Prozessabläufe von erheblicher Bedeutung sind.
Bei der Einführung neuer Technologie ist daher die gründliche Analyse der aktuellen Grenzkontrollprozesse unerlässlich. Der erfolgversprechende Einsatz moderner Technologien kann durch den Umsatz folgender Ansprüche positiv beeinflusst werden: die Schulung der europäischen Grenzkontrollkräfte im Umgang mit »neuer Generation« von Technik, die Harmonisierung der europäischen Grenzkontrolle und deren Ausstattung, die optimierte Differenzierung des Reisestroms in eingehende Kontrolle und Mindestkontrolle, die Verhinderung des Ausgrenzens bestimmter Personen und Personengruppen, die Berücksichtigung des demographischen Wandels in einigen Mitgliedstaaten und den Erhalt der aktiven Grenzkontrollbeamten.
Die Umstellung auf biometrische Grenzkontrollen in der EU läuft auf mehreren Ebenen: Zum einen erfolgt die zwingende Implementierung der biometriegestützten Grenzkontrollen für Nicht-Schengen-Angehörige sowie Programme für registrierte Vielreisende wie PRIVIUM in den Niederlanden, PEGASE in Frankreich, RAPID in Portugal, ABG in Deutschland und IRIS in Großbritannien, an denen EU-BürgerInnen bzw. Drittstaatsangehörige ohne Visumspflicht teilnehmen können. Zum anderen wurden Programme für nicht registrierte Reisende aufgenommen – siehe EasyPass Deutschland.
Die Studie BIODEV II, an der acht europäische Staaten teilnahmen, war ein Test für die Vorbereitung auf VIS II. Im Rahmen des Versuchs wurden die personenbezogenen Daten aus dem Antrag, die Visumantragsnummer, das Gesichtsbild und zehn flache Fingerabdrücke des Visumantragstellers in zentralen Datenbanken gespeichert.
Schätzungen zufolge gab es in der EU im Jahr 2006 bis zu 8 Millionen illegale Einwanderer. Die Hälfte davon dürfte legal in die EU eingereist sein, aber die autorisierte Aufenthaltsdauer überzogen haben und so in die Illegalität abgleiten (sog. Overstayer). Der Pass eines jeden Drittstaatsangehörigen sollte bei der Einreise in und der Ausreise aus dem Schengen-Raum manuell abgestempelt werden. Die Aufenthaltsdauer eines Drittstaatsangehörigen im Gebiet der Mitgliedstaaten wird anhand dieser Stempel berechnet, die häufig schwer zu interpretieren sind; manchmal sind sie unlesbar oder sie können das Ziel von Fälschungen sein. Die genaue Berechnung der Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum anhand der Stempel in den Reisedokumenten ist daher zeitraubend und schwierig. Darüber hinaus wird die Aufenthaltsdauer von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum derzeit nicht erfasst. Deshalb kann zurzeit kaum verlässlich ermittelt werden, ob ein Drittstaatsangehöriger den autorisierten Aufenthalt überschreitet oder nicht; es gibt also keine einheitliche Erfassung der Einreisen in und Ausreisen aus dem Schengen-Raum, was zu einer Verbesserung der Grenzverwaltung, der Sicherheit und der Planung beitragen könnte; auch ist es nicht möglich, Informationen über Overstayer zu sammeln.
Folglich sind zwei Ziele anzustreben, die widersprüchlich erscheinen mögen: Einerseits soll der Grenzübertritt von Bona-fide-Reisenden reibungslos gestaltet und andererseits muss die innere Sicherheit im Schengen-Raum gewährleistet werden.
Die Probleme der vielfältigen internationalen Projekte zur automatischen Grenzabfertigung gestalten sich aufgrund unzureichender Beachtung der oben genannten Faktoren. Zunächst muss sich der Mensch der automatischen Kontrolle fügen. Wird eine bestimmte Ausgangsvoraussetzung, wie z.B. ein gewisses Mindestalter, nicht erfüllt, weisen die Anlagen die Passagiere zurück. Dadurch, und bei fehlerhafter Befolgung der Anweisungen des Systems, gilt der Reisende als Verursacher und behindert den weiteren Grenzabfertigungsprozess. Treten technische Probleme bei einer automatischen Grenzabfertigung auf, ist eine adäquate manuelle Grenzabfertigung selten gegeben. Auch wird die menschliche Intelligenz und die Erfahrung des Grenzbeamten hinter die moderne Technologie gestellt. Insgesamt lastet ein erheblicher Perfektionsdruck auf den kostspieligen technischen Anlagen, dem diese im vollen Umfang unzureichend gerecht werden können.
Das Konzept PreBorderLane
Um die allgemeinen Kennzeichen einer automatischen Grenzkontrolle zu optimieren und den Prozessen eine neue Form sowie einen neuen Denkansatz zu verleihen, wird das Konzept PreBorderLane vorgestellt.
Das Prinzip der PreBorderLane ist die Aufteilung der Grenzkontrolle in eine vorgelagerte und eine nachgelagerte Kontrolle. Bei der vorgelagerten Kontrolle handelt es sich um mehrere technische Anlagen, an die mehrere Passagiere parallel jeweils an eine dieser Anlagen herantreten können. Die nachgelagerte Kontrolle beschreibt die Grenzkontrollbeamten und ihre Schalter. Die vorgelagerte Kontrollspur nutzt die unvermeidliche Wartezeit aktiv zur Entzerrung und Differenzierung des Passagierstromes, indem der Reisende die Option erhält, mit Auflage seines Reisedokumentes, den Prozessablauf zu beschleunigen. Führt der Reisende dies aus, wird er visuell und optional akustisch in seiner jeweiligen Landessprache begrüßt. Weiterhin können ihm die voraussichtliche Wartezeit sowie Service Angebote (Wetter, Taxi, Umrechnungskurse etc.) angezeigt werden. Optional könnten oder sollen hier auch biometrische Merkmale abgerufen und verglichen werden. Während dieser vorgelagerten Kontrolle werden bereits zwingend erforderliche und zeitintensive Prüfungen durchgeführt. Es können polizeilich relevante Reisende erkannt und weitere Maßnahmen eingeleitet werden. Letztendlich erfolgt eine automatische Zuweisung an einen freien und für ihn individuell passenden Grenzkontrollschalter.
Die nachgelagerte Kontrolle besteht aus gemäß ihrer Qualifikationen (Erfahrung, Sprachkenntnisse etc.) platziertem Grenzkontrollpersonal, dessen Bereitschaft, Position und Qualifizierung an die Anlagen übermittelt wird. Die Informationen aus der vorgelagerten Kontrolle werden dem jeweiligen Beamten zielgerichtet übertragen, wodurch die Kontrolltiefe gegebenenfalls reduziert werden kann. Durch die Auflage des Dokumentes hat der Reisende bereits in der unumgänglichen Warteposition zu einem aktiven Beitrag zur Beschleunigung des Gesamtprozesses beigetragen.
Das Design dieses Konzeptes ermöglicht eine effektive Auslastung der automatisierten Unterstützung durch eine flexible Nutzung und einer dynamischen Anpassung der vorgelagerten Kontrollspuren – je nach Zusammensetzung der Passagierströme. Dieses Prinzip ist international anwendbar.
Funktion der PreBorderLane
Die PreBorderLane ist prinzipiell geeignet, den Reisestrom in eingehende Kontrolle und Mindestkontrolle zu steuern. Dazu wird lediglich die standardisierte maschinenlesbare (ICAO-konforme) Zeile des Reisedokumentes benötigt, die sich bereits weltweit positiv durchgesetzt hat. Aus ihr lassen sich für die adressatengerechte Abfertigung wichtige Informationen gewinnen, wie z. B.:
- Art des Dokumentes (Dienstpass, Diplomatenpass, Reisepass, Flüchtlingspass, Ausländerpass etc.)
- Nationalität des Dokumentes
- Alter des Reisenden (Benennung von Schwerpunkten)
- Geschlecht des Reisenden (Berücksichtigung ethnischer Aspekte)
Passagiere, die nur einer Mindestkontrolle unterliegen, können im optimalen Fall ohne weitere manuelle Kontrolle passieren (realisiert durch Monitoring im jeweiligen Grenzkontrollabfertigungsschalter).
Passagiere, die einer eignenden Kontrolle unterliegen (siehe VIS II), werden spezialisierten Grenzbeamten zugeführt. Mit dem Angebot, dass der Reisende sein Reisedokument elektronisch in der Warteposition auslesen lässt, wird wertvolle Zeit gewonnen, um mit dem Reisenden ein gemäß Grenzkodex ausführliches Gespräch zu führen. Unterschiedlichste Qualifikationsgrade des Grenzbeamten werden berücksichtigt. Außerdem wird der Abfertigungsprozess von körperlich Behinderten wie auch von Geschäftsreisenden oder Familien mit Kindern sowie Diplomaten und registrierten Reisenden ausreichend berücksichtigt und optimiert. Die Implementierung der unterschiedlichsten EU-Vorhaben wie z. B. Entry/Exit, VIS II, registrierte Reisende, Saison-Arbeitskräfte und Ausländerpass sind durch den modularen Aufbau der PreBorderLane gegeben. Die Flexibilität und der einfache Aufbau begünstigen eine weite Verbreitung, mit dem Ziel einer Standardisierung im Schengen-Raum. Zukünftige technische Entwicklungen könnten von der PreBorderLane optional genutzt und aufgenommen werden (z. B. RFID inklusive Fingerabdruck, Gesichtserkennung, Sensorik im Sinne der Prävention im Bereich der Radiologie/Nukleardetektion, Temperaturmessung bezogen auf Pandemie usw.). Diese Faktoren begünstigen eine Investitions- sowie Planungssicherheit.
Vorteile der PreBorderLane
Das System der PreBorderLane ist grundsätzlich an allen Grenzen anwendbar. Es würde alle Grenzabfertigungen vereinheitlichen und somit die Sicherheit, die mit der Garantenstellung in der Verantwortung des jeweiligen EU-Mitglieds liegt, gewährleisten.
Die PreBorderLane kann als intelligentes Warteschlangensystem fungieren. Schließlich ist das Außergewöhnliche an der PreBorderLane zum einen, dass sie den Passagier dem für ihn günstigsten Grenzkontrollschalter zuweist und zum andern, dass die bisher ungenutzte Wartezeit effektiv im Sinne der Prozessbeschleunigung Nutzen bringt. Ein weiterer besonderer Vorteil an diesem Konzept liegt darin, dass der Reisende, unabhängig von der Nationalität, jede vorgelagerte Kontrollspur wählen kann, da die eigentliche Zuordnung zum Grenzkontrollschalter durch die PreBorderLane dynamisch gesteuert wird. Hierdurch ist falsches Anstellen nicht mehr möglich – der Reisende wird in jedem Falle platziert.
Für den Reisenden ergeben sich weitere Vorteile, da in dem Konzept Elemente der klassischen Kundenbetreuung zu erkennen sind. Es erscheinen keine Fehlermeldungen wie »Hier sind Sie falsch«; »Ich kann Sie nicht verstehen«; »Bitte stellen Sie sich dort an, hier nur Reisende mit Visum«; »Sie haben den falschen Pass! Sie benötigen an dieser Kontrolle einen ePass«; »Sie sind zu jung für diesen Schalter (erst ab 18)« und so weiter. Auf diese Weise ist es möglich, ein positives Bild eines fortschrittlichen Europa zu vermitteln.
Vorteile für die Grenzbeamten ergeben sich dadurch, dass sie bereits Informationen aus den elektrischen Prüfungen übermittelt bekommen, noch bevor der Passagier vor ihnen steht. Auch wird der psychische Druck reduziert, der bisher durch langen Schlangen vor den Schaltern auf den Grenzbeamten wirkt. Entscheidend ist jedoch auch, dass die Grenzkontrollkräfte mit der PreBorderLane auch weiterhin aktiv am Abfertigungsprozess teilnehmen, anstatt ihre Erfahrung schließlich beim Beobachten von Überwachungsbildern zu verschenken.
Da die eingesetzte Technologie sich der Entwicklung anpassen kann und selbst bei Funktionsverlust durch die nachgelagerte Kontrolle die Sicherheit erhalten bleibt, ist die PreBorderLane optimal geeignet, um als Testträger für neue Technologien genutzt zu werden, ohne den Reisenden zu behindern.
Langfristig wird zudem ein Synergieeffekt auch für andere Behörden und Dienstleistungen wie z. B. Zoll, Gepäckdienst, an Seehäfen etc. erwartet.
Das Konzept wurde in Zusammenarbeit mit Jörg Köplin erarbeitet. Weitere Informationen finden sie hier.