Intelligenter Ultraschall

Seit den 1990er Jahren entwickelt das Fraunhofer IGD neue Ultraschallanwendungen. Davon profitieren die zu behandelnden Personen. Mit dem ECHOMICS-Verfahren auf Ultraschallbasis erkennen Medizinerinnen und Mediziner zukünftig bösartig veränderte Halslymphknoten direkt im Bild, und Biopsien könnten überflüssig werden. Das neue sonAR-Verfahren erlaubt es Ärztinnen und Ärzten, mithilfe einer Augmented-Reality-Brille Ultraschallbilder in der richtigen Schnittebene zu betrachten: Das erleichtert die Untersuchung und sorgt für mehr Sicherheit bei geschlossenen Biopsien.

Ultraschall wird seit Ende der 1940er Jahre für medizinische Anwendungen entwickelt. Das Prinzip: Verschiedene Gewebe reflektieren und streuen die Schallwellen unterschiedlich stark – als diverse Grautöne auf dem Bildschirm zu sehen. Vor allem in der schnellen Erstdiagnostik hat die Sonographie ihren festen Platz. Das Verfahren ist günstig, kommt ohne schädigende Röntgenstrahlung aus und ist unkompliziert anzuwenden.

 

ECHOMICS erkennt entartete Halslymphknoten ohne Biopsie

Viele Organe lassen sich mithilfe von Ultraschall beurteilen. Besonders gut zugänglich sind die Weichteile am Hals. Genau hier kommt die ECHOMICS-Technologie zum Einsatz, an der das Fraunhofer IGD derzeit arbeitet. Sie soll per Ultraschall Halslymphknoten erkennen, in die bösartige Zellen eines Plattenepithelkarzinoms gestreut haben. Das Karzinom ist die häufigste Krebsform in Mund und Rachen. »Die ECHOMICS-Software erlaubt eine rasche Analyse ohne Gewebeproben«, sagt Matthias Noll, stellvertretender Leiter der Abteilung Visual Healthcare Technologies. ECHOMICS verwendet Radiomics, Bio- oder Bildmarker, die aus befallenen Lymphknoten extrahiert wurden. Sie dienen als Basis für eine wiedererkennbare Signatur und dienen damit der Zuordnung zu einer bekannten Gewebeart in Verbindung mit einer Krebsdiagnose. Zusätzlich testen die Informatikerinnen und Informatiker des Fraunhofer IGD bis zu 4000 weitere ultraschallspezifische Marker. Ultraschalluntersuchungen könnten Biopsien überflüssig machen, den Patienten bliebe ein invasiver Eingriff erspart, und die eigentliche Behandlung kann schneller starten.

 

Mit sonAR Ultraschallbilder lagegerichtet betrachten

Auch die Anwendung sonAR verbessert Diagnostik und Therapie. Sie versetzt ärztliches Fachpersonal in die Lage, Ultraschallbilder lagerichtig im 3D-Raum zu betrachten. Eine AR-Brille mit halbdurchlässigen Spiegeln zeigt der Ärztin das Ultraschallbild in ihrem Sichtfeld an – statt wie sonst üblich auf dem Bildschirm. Die Schnittebene durch den Körper erscheint genau über den repräsentierten Strukturen. »Damit kann der Arzt die Untersuchung direkt am Patienten durchführen und muss nicht die ganze Zeit auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes schauen«, erklärt Noll. Das bietet zahlreiche Vorteile: sonAR kann die Erfolgsquote von ultraschallgeführten Biopsien verbessern, indem die Sonographie unabhängiger von den Anwendenden wird. Bisher müssen etwa zehn Prozent der geschlossenen Biopsien wiederholt oder als offene Biopsie durchgeführt werden, weil sie nicht erfolgreich waren. »Bei sonAR liegt die Ultraschallebene direkt am Patienten, sodass der Arzt die Nadel am Patienten sehen und den Stichkanal besser nachjustieren kann«, erklärt Noll. Auch die Sicherheit operativer Eingriffe, so die Idee der Entwickelnden, lässt sich mit sonAR steigern.